Schnapsidee in der Brauerei:
Ale bekommt Umdrehungen

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Schnapsidee in der Brauerei: Ale bekommt Umdrehungen

Freie Presse vom 04.01.2020

Neu ist die Idee nicht: Aus Bier wird Schnaps. Die Gersdorfer Braumeister haben das Experiment mit dem Ale-Bierbrand gewagt. Selbst der Brennmeister ist von dem Ergebnis begeistert.

Gersdorf. Wenn im Betriebsverkauf der Gersdorfer Glückauf-Brauerei ein Kunde nach Gersdorfer Ale-Brand fragt, bekommt er zurzeit die Antwort, die ihn im DDR-Konsum bei der Frage nach Rindslende erwartet hätte. Kurz und knapp: „Ist aus.“
„Es war ja nur ein Versuch, sozusagen eine Schnapsidee“, entschuldigt sich Brauereichefin Astrid Peiker fast schon. Für die Unternehmenschefin war die Idee, aus Bier Schnaps zu brennen, totales Neuland. „Ich wollte einfach mal wissen, ob man nach dem Brennen tatsächlich das Aroma der vier Hopfensorten noch spürt“, erklärt sie.

Mit dem Gersdorfer Ale heimsten die Glückauf-Brauer mehrfach Auszeichnungen ein, unter anderem das Große Gold beim Internationalen Meiningers Craftbeer Award in der Kategorie Experimental Style, immer wieder Gold der Deutschen Landwirtschafts Gesellschaft (DLG) und 2016 den Bundesehrenpreis für Ernährung und Landwirtschaft. Mehr geht nicht, oder doch? Astrid Peiker streckte die Fühler aus und kutschierte im Frühjahr 2019 drei Fässer, insgesamt 150 Liter des preisgekrönten Gebräus, in die Lausitz. Brennmeister Steffen Lindner, der Betreiber von „Schusterlieb’s Schaubrennerei“ in Neukirch, füllte damit die kupferne Brennblase und ließ es blubbern. Ein komplizierter Destillierprozess, bei dem üblicherweise nicht allzu viel übrig bleibt. Beim Destillieren wird der Vor- und Nachlauf weggegossen. Der sogenannte Angels Share (Engelsanteil), ein Begriff aus der Whiskybrennerei, enthält bekanntlich giftige Stoffe. So blieb nach dem Destillieren und einem halben Jahr Reifeprozess im Fass lediglich Ale Brand für 80 0,2-Liter-Flaschen übrig. „Die Etiketten habe ich selbst in echter Handarbeit aufgeklebt, und sogar gerade“, berichtet Astrid Peiker lachend. Das Destillierergebnis überzeugte auch den Brennmeister. „Das ist ein ganz eigener, interessanter Geschmack, den ich so bisher nicht kannte.“ Auch Braumeister Gerd Griesbach erkannte sofort am Geruch des Hochprozentigen seine Hopfenaromen wieder, obwohl der Schnaps sechs Monate Reifeprozess im Fass hinter sich hat. Alles in allem ein gelungener Versuch, der sich von der Kernkompetenz der Brauerei allerdings entfernt. „Damit können wir auch kein Geld verdienen, aber es ist mal etwas Besonderes“, sagt Astrid Peiker. Und das diente gleich als Weihnachtsgeschenk. Jeder Mitarbeiter der Brauerei bekam eine Flasche geschenkt. „Am Ende hatten wir nur noch drei Flaschen im Betriebsverkauf übrig. Die waren schnell weg“, bedauert die Brauereichefin.

Steffen Lindner war jedenfalls so begeistert, dass er das Ale noch einmal veredeln will. Astrid Peiker spielte mit und brachte Anfang Dezember noch einmal 300 Liter Ale nach Neukirch. Das heißt: In einem halben Jahr könnten ein paar Flaschen der Rarität im Betriebsverkauf wieder auftauchen.

Den Bierbrand hat Astrid Peiker freilich nicht erfunden. Den gibt es schon lange. Diese Spirituose darf sich als Eau de vie de bière bezeichnen. Voraussetzung: Sie wird aus frischem Bier destilliert und hat mindestens 38 Volumenprozent Alkohol. Kein Problem, Ale -Brand hat 43.

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Foto:Andreas Kretschel
Text: Hans-Peter Kuppe